• CO2-mindernde Umweltprojekte
  • moderne Energietechnik ansiedeln
  • Gewässerschutz und Renaturierung
  • Landwirtschaft wertschätzen
  • unsere Natur achten und schützen

Seit 1996 arbeiten die Länder Baden-Württemberg und Bayern gemeinsam an der Renaturierung der ab Mitte des 19. Jahrhunderts begradigten Iller. Im letzten Jahr wurden bestehende Renaturierungsmaßnahmen in ein neu-aufgelegtes, auf zehn Jahre datiertes Programm unter der Überschrift „Agile Iller“ integriert und mit insgesamt 70 Millionen Euro (35 Mio. Euro pro Bundesland) finanziell gestützt. Das Gesamtkonzept umfasst 59 Bauvorhaben zwischen Aitrach (westlich von Memmingen) und Wiblingen (entspricht etwa 60 Fluss-Kilometer). So soll der Fluss bis zur Mündung in die Donau bei Ulm durch neue Seitenarme (sowie konstante Rinnenstrukturen auf beiden Seiten des Flusses in die Auwälder), den Einbau von weiteren Sohlesicherungen (bspw. „Raue Rampen“ und offene Deckwerke) und die Anbindung an bestehende Seitengewässer breiter, durchlässiger und natürlicher werden, ggf. bedingt dem Hochwasserschutz dienen, den Grundwasserspiegel stabilisieren und der Entwicklung der Auwälder (Stichwort: Naherholungsraum) zu Gute kommen.

Mit kritischem Blick verfolgt daher die Kreistagsfraktion der FREIEN WÄHLER das geplante Schachtkraftwerk an der Iller bei Dietenheim (Alb-Donau-Kreis, Baden-Württemberg, Fluss-Kilometer 23,480) eines Münchner Investors namens Fontin & Company GmbH. Fontin wurde der Bau und Betrieb des Kraftwerks bis zum Jahr 2056 von Baden-Württemberger Seite am 06.12.2016 vom Landratsamt Alb-Donau genehmigt. Der Investor verzichte im Gegenzug auf eine Verlängerung des Betriebs, um dem Rückbau der vorhandenen Sohlschwelle nicht länger im Weg zu stehen. Dieser Sachverhalt ist allerdings von weitaus größerer Bedeutung, denn Fontin plant zwischen Memmingen und Neu-Ulm an der unteren Iller sieben weitere neue Wasserkraftwerke im Iller-Mutterbett (sechs Standorte in Bayern, ein weiteres in Baden-Württemberg).

Der geplante Ausbau der wasserkrafttechnischen Nutzung im Mutterbett steht im Hinblick auf die Investition von 70 Millionen Euro öffentlicher Gelder in konkretem Widerspruch zu den gewässerökologischen Zielen des Großprojektes „Agile Iller“. Der Bau des Schachtkraftwerkes bei Dietenheim gefährdet nicht nur die ökologische Aufwertung und Renaturierung der Iller, sondern würde auch die öffentlich eingesetzten Mittel ad absurdum führen, u.a. da die Durchgängigkeit der Iller weiterhin maßgeblich blockiert und auf die nächsten 30-40 Jahre zementiert wird. Entweder setzt man auf eine vernünftige Renaturierung des Flusses oder man ist für dessen weitere Technisierung von einer ohnehin schon übermäßig anthropogenen Nutzungsart – beide Ziele miteinander zu verbinden ist in diesem Fall nahezu unmöglich.

An einzelnen Stellen ist die Eintiefung der Iller trotz aller bisher unternommenen Renaturierungsmaßnahmen bereits um bis zu 2,5 bis 3 Meter vorangeschritten. Dieser Umstand allein ist alamierend genug, auch weil daran die Wasserversorgung der Auwälder, die inzwischen praktisch Trockenwälder sind, abhängt. Maßnahmen, die eine weitere Sohleintiefung bzw. die Durchlässigkeit verhindern, müssen Priorität haben. Zudem werden bereits laut Bund Naturschutz rund 90 Prozent des Illerwassers durch Kanäle zur Stromerzeugung in 32 Wasserkraftwerken ausgeleitet. Die restlichen 10 Prozent der ursprünglichen Wassermenge sollten daher primär ökologische Funktionen übernehmen.

Leider scheint es sich beim Projekt „Schachtkraftwerk bei Dietenheim“ bzw. der sieben weiterhin geplanten Wasserkraftwerke der Fontin & Company GmbH hauptsächlich um ökonomische Beweggründe zu handeln. Wegen der nötigen Mindestwassermenge im Mutterbett wird für die bestehenden Illerkanäle weniger Wasser zur Verfügung stehen, so dass die dortigen Nutzer hierfür eine Entschädigung einfordern werden und auch erhalten müssen. Diese bestehenden Kraftwerke erhalten für ihren erzeugten Strom nur 3 Cent pro kWh, während die neu geplanten Kleinkraftwerke eine durch die EEG-Umlage subventionierte Vergütung von 12 Cent pro kWh erhalten, obwohl sie bestehende Wehrbauwerke kostenlos nutzen dürfen und gleichzeitig den bestehenden Kraftwerken Wasser wegnehmen.

Ein Briefwechsel mit dem FW-Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz, Thorsten Glauber, MdL ergab folgendes:

  • da jegliche Betriebsorgane und -gebäude auf baden-württembergischer Flur liegen, sei von bayerischer Seite nicht möglich, gegen die Planungen des Kraftwerks bei Dietenheim vorzugehen (als Antwort auf unsere Anmerkung, dass gemäß des Staatsvertrags vom September 1859 zwischen Bayern und Baden-Württemberg Bauprojekte durch beide Länder zu bewilligen seien);
  • wasserbaulich sei die Wehranlage aufgrund der Begradigung der Iller unbedingt notwendig und nicht zurückbaubar
  • ein Umbau in eine raue Rampe sei aufgrund der vorhandenen Fallhöhe sehr aufwendig und unverhältnismäßig (<-> vergleichbar hohe Querbauwerke werden im Zuge der „Agilen Iller“ desgleichen nicht umgebaut, sondern erhalten ebenfalls naturnahe oder technische Fischaufstiegsanlagen;
  • durch den Kraftwerksbetreiber Fontin seien allzeit mehr als 1 m³/s der zu erstellenden Fischauf- und abstiegsanlagen zur Verfügung zu stellen: „Sollte die Mindestwasserabgabe in der Iller am Wehr bei Altenstadt erhöht werden, besteht kein Anspruch auf energetische Nutzung dieses höheren Abflusses. Dieser höhere Abfluss soll ökologischen Zwecken dienen und nicht der Wasserkraft zur Verfügung stehen“ (Zitat aus dem Bewilligungsbescheid des Landkreises Alb-Donau-Kreises, Punkt 1.1.5);
  • die Höhe der Erhöhung des Mindestwassers für die Restwasserstrecke wird Ergebnis eines bereits beauftragten ingenieurbiologischen Gutachtens sein (Veröffentlichung bis Ende 2019);
  • FW-Staatsminister Thorsten Glauber versichert, dass es im Rahmen des Projektes „Agile Iller“ auf bayerischer Flur zu keiner weiteren Wasserkraftanlage kommen wird und dass dies auch durch die gemeinsam unterzeichnete Vereinbarung mit dem Land Baden-Württemberg aus Sicht des Freistaats Bayerns auch links der Iller mit keiner weiteren Wasserkraftnutzung zu rechnen sei.

 


 

Der immer deutlicher werdende Klimawandel und die Notwendigkeit des Klimaschutzes ist in der letzten Zeit glücklicherweise immer stärker in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger gerückt. Dazu haben insbesondere die "Friday for Future"-Bewegung von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden beigetragen, die weltweit, aber auch vor Ort in Ulm und in unserem Landkreis aktiv ist und wesentlich intensivere Bemühungen um den Klimaschutz einfordert. Inzwischen wird diese Initiative auch von über 25.000 Wissenschaftlern in der "Scientists for Future"-Bewegung unterstützt (siehe www.scientists4future.org), deren Ulmer Ortsgruppe vorschlägt, auch in unserer Region einen „Klimanotstand“ auszurufen.

Von „Alarmstufe Rot“ und „katastrophalen Folgen des Klimawandels“ war auch zuletzt in der Augsburger Allgemeinen (08.06.2019, Seite 4) zu lesen, wo über die Erkenntnisse australischer Forscher berichtet wurde. Demnach zeigen wissenschaftliche Klimamodelle, dass sich die Erde ohne einen drastischen Rückgang des Kohlendioxidausstoßes bis Ende dieses Jahrhunderts um vier bis fünf Grad erwärmen wird. Dies hätte unvorhersehbare Folgen für die Lebensgrundlagen der allermeisten Menschen - beispielsweise durch einen steigenden Meeresspiegel, durch Dürren und Ernteausfälle, durch Extremwetterereignisse bis hin zu einem Versiegen des Golfstroms, der für das Klima in Europa von größter Bedeutung ist.

Vor diesem Hintergrund haben sich die Staaten der Welt im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf unter 2 Grad und möglichst sogar unter 1,5 Grad zu begrenzen. Daraus haben die EU und die Bundesregierung Ziele für die Reduktion des Kohlendioxidausstoßes in den nächsten Jahrzehnten abgeleitet, und auch unser Landkreis hat erste Maßnahmen ergriffen, um dazu beizutragen.

Leider zeigt sich aber auf nationaler und internationaler Ebene, dass der Kohlendioxidausstoß nicht zurückgeht, sondern gleichbleibt oder sogar weiter zunimmt. Die bisherigen Bemühungen genügen also bei Weitem nicht, wie auch die oben erwähnte Studie klarmacht.

Deshalb müssen auch wir unsere Bemühungen um den Klimaschutz und ihre Auswirkungen ehrlich und kritisch überprüfen und darüber nachdenken und diskutieren, wie wir diese Bemühungen intensivieren können, um einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Für eine solche Analyse und Debatte beantrage ich eine Sondersitzung des Umwelt-und Werkausschusses, zu der Vertreter der "Friday for Future" Bewegung und der "Scientists for Future"-Bewegung sowie Experten aus der Wissenschaft, wie beispielsweise der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, (www.pik-potsdam.de) eingeladen werden.

Als Grundlage für diese Sitzung beantrage ich, vorab den aktuellen Stand der Klimaschutz-Aktivitäten im Landkreis Neu-Ulm und ihrer konkreten quantifizierten Auswirkungen in einem schriftlichen Bericht darzustellen. Darin sollen mindestens die folgenden Fragen beantwortet werden:

  • Welche Menge an Kohlendioxid-Emissionen entstehen im Landkreis Neu-Ulm - insgesamt und nach Nutzungsart (Strom, Mobilität, Wärme) sowie nach Sektoren (Haushalte, Industrie) getrennt?
  • Wie haben sich diese Emissionen in den letzten zehn Jahren entwickelt?
  • Welche Menge an Kohlendioxid-Emissionen konnte durch die bisherigen Klimaschutz-Aktivitäten des Landkreises Neu-Ulm eingespart werden?
  • Welche Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen müssen erreicht werden, um die Klimaziele der Bundesregierung, der EU und des Klimaschutzabkommens von Paris zu erfüllen?

Ich bitte darum, in der nächsten Umwelt- und Werkausschuss-Sitzung am 09.07.2019 einen Vorschlag für die Umsetzung meines Antrags vorzulegen und weitere Vorschläge und Fragen hierzu aus dem Gremium zu sammeln.

Ausdrücklich betonen möchte ich, dass ich mit meinen Ausführungen und meinem Antrag die sehr gute und engagierte Arbeit des Klimaschutzmanagers des Landkreises, Florian Drollinger, in keiner Weise kritisieren oder in Frage stellen möchte. Mir geht es darum zu hinterfragen, welche Ziele wir uns als Landkreis selbst setzen und welche Vorgaben die politischen Gremien der Verwaltung machen - und ob diese Ziele und Vorgaben vor dem Hintergrund des dramatisch voranschreitenden Klimawandels noch ausreichen.

Mir geht es darum, dass wir uns an die sprichwörtliche „eigene Nase“ packen und ehrlich uns und unseren Kindern gegenüber analysieren, was wir bisher erreicht haben und was wir nicht erreicht haben. Auf andere zu zeigen oder Schuldige zu suchen, hilft hier nicht weiter und ist nicht Sinn meiner Initiative. Vielmehr bedarf der Klimaschutz einer enormen gemeinsamen Anstrengung und eines Schulterschlusses aller demokratischen Kräfte und Organisationen.

In diesem Sinne würde ich mich sehr freuen, wenn Sie meine Initiative unterstützen und mit eigenen Ideen ergänzen.

Vielen Dank und herzliche Grüße

Dr. Jürgen Bischof
Mitglied im Kreistag Neu-Ulm
Stellvertretender Vorsitzender FREIE WÄHLER für den Landkreis Neu-Ulm e.V.

 


 

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